Vielleicht eine kleine Erklärung für die Nicht-Diabetiker, die sich hier geirrt haben: die Typ F-Leute sind unsere Familie und Freunde. Alle die mit uns leiden sollen…

Ich habe das große Glück, nicht so viele Typ F in meiner Umgebung zu haben.

Klingt erstmal hart, denn die Fs sollen irgendwie einem helfen. Ja. Aber zu viel des Guten…

ich denke, dass man als (erwachsene) Kranke sehr viel Zeit damit verbringt, seine Leute zu beruhigen. Nicht ganz mein Bier.

Familie weit weg

Auf jeden Fall bin ich in der Situation, dass meine gesamte Familie in Frankreich lebt und bin – was Diabetes angeht – sehr froh darüber:

Erstmal weil sie im Alltag nicht mit der Krankheit konfrontiert sind. Das ist bestimmt eine Belastung, ständig jemand zu haben der spritzt, misst, kümmert sich um sich und denkt ständig über was anderes als das was alle gerade besprechen. Natürlich ist man als Angehörige beruhigt, wenn die Person Acht auf sich nimmt und auf sich aufpasst. Aber mir kommt das ermüdend vor, ständig auf jemanden zu schauen, was Medikamente zu sich nehmen soll und nicht zu viel davon aber genug davon.

Meine Mutter würde nächtelang nicht schlafen (und ich würde es mitkriegen).

Ich müsste dann wahrscheinlich ganz viel darüber reden und das mag ich nicht.

Familie in Kiel

Meine Familie, mein Mann und meine beide Kinder, sind perfekt (und ich bin ganz objektiv).

Meine Kinder machen schon derbe Witze darüber (wenn nur 3 Stücke Schokolade für uns 4 da sind, sagt denn eins von den beiden ironisch: „Naja Mama hat ja Zucker und darf keine Schokolade essen, also Problem gelöst…“) Dass eine 9-jährige das bringen kann, finde schon mal sehr stark, was für ein geiles Humor!

Sie bleiben aber immer aufmerksam und haben Antennen um zu spüren, wie es mir geht. Sie sind sowieso im Alltag nett und freundlich aber seit der Krankheit, und wenn sie merken, dass es mir gerade nicht gut geht, sind sie sehr hilfsbereit und sofort auf mich eingestellt und auf eine nette Art nur für mich da.

Mein Mann war am Anfang… skeptisch? Wie geht man damit um? Ich soll auch Verantwortung dafür übernehmen und kann das nicht. Andererseits wollte er an unserem Leben (Aktivitäten, Essen usw.) nichts ändern: „In der Diabetespraxis haben sie in der Schulung gesagt, Du darfst alles, also machen wir alles wie bisher.“ Vielleicht kompromisslos aber für mich sehr hilfreich. Keine Zeit zu rumjammern, tu was: Dein Leben wartet schon auf Dich.

Mein Mann hat mich die letzten Woche stark erstaunt: er erkennt jetzt Hypos. Zwar „nur“ die starken aber immerhin.

Das nervt ihn auch, weil - sagt er – ich erzähle dann nur Blödsinn und er weiß gleich, er wird sich auf eine lange, sinnlose Diskussion anstellen müssen, um mich davon zu überzeugen, Zucker zu mir zu nehmen. Wenn ich in starke Hypo bin, wundere ich mich nur über meine völlig verzerrte Wahrnehmung der Welt (und lache oder weine darüber, über mich, die Welt und die Krankheit und meine arme Kinder), kann aber nicht erkennen, dass ich Zucker brauche. Wenn ich alleine wäre würde ich… na wie sagt man schon… abkacken? Aber voll.

Vor kurzem hat er mich nachts kurz angefasst, hat gemerkt wie ich schwitze und hat mich gewarnt. Ich hätte im Halbschlaf die Hypo nicht gemerkt. Letzte Nacht hat er gemerkt, wie ich plötzlich (und nicht „so wie sonst“) aufgestanden bin, er hatte Angst, dass ich die Treppe alleine runtergehe und ist vom Bett rausgesprungen (ich wollte eigentlich nur mein durchgeschwitztes Pyjama tauschen und hatte nicht vor, runter zu gehen). Wie aufmerksam. Sein Schlaf ist bestimmt leichter geworden, seit ich krank bin. Er schafft das aber, mir das Gefühl zu geben, er ist auf das was ich mache aufmerksam, urteile das aber nicht, ist ständig bereit mir zu helfen, sagt das aber nie…

Uuund, das Beste, das absolut tollste überhaupt: er macht nie Kommentare, wenn ich meine Pumpe zuhause im Bad morgens vergesse (bisher 3 Mal passiert). Er schafft das, mir meine Pumpe zu bringen oder sagt einfach nichts, wenn ich im Auto springe, um sie abzuholen – auch wenn eine Stunde Fahrt und sinnlose Spritverbrauch dann ist… Kein Kommentar - sehr stark.

Verkneift sich aber dann auch nicht Witze zu machen. Wenn ich ihn zum Beispiel informiere, dass ich nach der Arbeit noch zum Diabetologe muss, Katheter und Insulin zu besorgen sagt er dann lächelnd: „Klar, mach doch, gönn Dir auch doch mal was!“

Mein Mann hat ja vor 10 Jahren eine gesunde Frau geheiratet, heute mit einer erkrankte zu leben ist eine Umstellung. ich bin überglücklich, dass er alles mit mir durchsteht. Er macht das einfach - wie ich finde – perfekt und ich habe mein Diabetes nur so gut in den Griff, weil mein Mann mir auch so taktvoll zur Seite steht.

Die Typ F haben’s aber schwer…

Also die Typ F, die es sowieso am Schwierigsten haben - weil sie nicht nachfühlen können, was man durchmacht, weil diese Krankheit so theoretisch bleibt,… sollen auch noch mit der Persönlichkeit „ihrem“ Kranken komponieren. Ich weiß von einem Diabetiker, dass seine Frau seine Pens ständig mit sich schleppt. Wenn er sich spritzen will, muss er seiner Frau fragen. Oder manch andere lässt sein Partner die Insulinpumpe befüllen. Würde mir nie in den Kopf kommen, mein Mann das für mich machen zu lassen… so wie ich nie im Leben für ihn Kleidung kaufen würde.

Es ist jeder Mensch anders, jedes Paar anders.

Also wenn ich zum Punkt kommen soll: die Eltern und die Partner bemitleide ich viel mehr als die Diabetiker selbst. Und ich hätte, als ich erkrankte vor 2 Jahren, nie gedacht, dass ich so etwas jemals schreiben würde…

Euch allen noch einen schönen Tag!

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